Die Europäische Union erwägt die Einführung von Strafzöllen auf bestimmte Elektroautos aus China. Betroffen könnten Modelle der Hersteller BYD, Geely und SAIC sein. Diese Maßnahme erfolgt, da die EU der Ansicht ist, dass chinesische Elektrofahrzeuge durch wettbewerbsverzerrende Subventionen bevorzugt werden. Sollte es zu keiner anderen Lösung mit China kommen, könnten diese Zölle rückwirkend ab dem 4. Juli 2024 eingeführt werden.
Gründe und Auswirkungen der geplanten Strafzölle
Die EU-Kommission plant einen Importzoll von 17,4 Prozent für BYD, 20 Prozent für Geely und 38,1 Prozent für den staatlichen chinesischen Volkswagen-Partnerkonzern SAIC. Der Schritt soll die europäische Automobilbranche vor der Konkurrenz durch subventionierte chinesische Fahrzeuge schützen. Diese Entscheidung folgt dem Beispiel der USA, die ihre Zölle auf chinesische Elektrofahrzeuge zuletzt vervierfacht haben.
Allerdings haben europäische Autobauer Bedenken geäußert. Sie fürchten, dass Vergeltungsmaßnahmen Chinas ihren Absatz auf dem chinesischen Markt beeinträchtigen könnten. Ein Sprecher des chinesischen Handelsministeriums sagte: „Peking werde den weiteren Prozess der europäischen Seite genau verfolgen und entschlossen alle notwendigen Maßnahmen ergreifen, um die Rechte und Interessen chinesischer Firmen zu schützen.“
Bedeutung des chinesischen Marktes für deutsche Autobauer
China ist der weltweit größte Automarkt und daher besonders wichtig für deutsche Automobilhersteller. BMW exportiert beispielsweise den 4er und den 7er aus der EU nach China, ohne genaue Angaben zu den Volumina zu machen. Porsche und Audi sind ebenfalls stark von Exporten nach China abhängig. Mercedes-Benz erzielte im letzten Jahr rund 30 Prozent seines Absatzes in China, während die VW-Kernmarke dort fast 50 Prozent ihrer Autos verkaufte.
Reaktionen und Stellungnahmen aus Deutschland
Die deutsche Bundesregierung reagierte zurückhaltend auf die Brüsseler Entscheidung. Regierungssprecher Steffen Hebestreit betonte, dass bis zum 4. Juli noch Zeit sei, um eine einvernehmliche Lösung zu finden. „Wir brauchen nicht weitere Handelskonflikte, sondern wir müssen den Welthandel erleichtern. Allerdings muss dieser auch fair bleiben und werden,“ so Hebestreit.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck warnte vor einem „Zollwettlauf“ und betonte die Bedeutung von Verhandlungen: „Zölle sind als politisches Mittel immer nur Ultima Ratio und häufig der schlechteste Weg.“
Auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing äußerte sich kritisch: „Durch mehr Wettbewerb, offene Märkte und erheblich bessere Standortbedingungen in der EU müssen Fahrzeuge preiswerter werden, nicht durch Handelskrieg und Marktabschottung.“
Kritik aus der Automobilindustrie
Die deutsche Automobilindustrie hat die Entscheidung der EU scharf kritisiert. Hildegard Müller, Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA), nannte den Schritt „einen weiteren Schritt weg von globaler Zusammenarbeit.“ Die EU-Kommission setze auf protektionistische Handelspolitik, was zu einem globalen Handelskonflikt führen könnte.
Die chinesische Außenhandelskammer in der EU zeigte sich „schockiert“ und „ernsthaft enttäuscht“. Auch die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) warnte vor stärkeren Handelskonflikten.
Uneinigkeit unter Ökonomen
Unter deutschen Top-Ökonomen gehen die Meinungen zu den Maßnahmen der EU auseinander. Ifo-Präsident Clemens Fuest rät davon ab und warnt vor einem Handelskrieg, der niemandem nütze. „Günstige Elektroautos aus China erleichtern die Elektrifizierung des Autoverkehrs und damit die Dekarbonisierung der Wirtschaft,“ sagte Fuest.
Marcel Fratzscher, Chef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), und Wettbewerbsökonom Jens Südekum befürworten hingegen die Zölle. „Es geht bei den Strafzöllen nicht um Protektionismus. Es ist eine Reaktion Europas auf unfaire chinesische Wettbewerbspraktiken,“ erklärte Südekum. Fratzscher ergänzte: „Es ist unbestreitbar, dass chinesische Hersteller durch massive staatliche Subventionen unfaire Wettbewerbsvorteile genießen.“
Die geplanten Strafzölle auf chinesische Elektroautos sind ein kontrovers diskutiertes Thema. Während die EU die Maßnahme als Schutz der eigenen Industrie rechtfertigt, warnen viele vor den möglichen negativen Auswirkungen auf den Welthandel. Die kommenden Verhandlungen und Entscheidungen werden maßgeblich darüber entscheiden, ob es zu einem Handelskonflikt zwischen der EU und China kommt oder ob eine einvernehmliche Lösung gefunden wird.