SPD mit historisch schwachem Ergebnis
In Gelsenkirchen, einst eine unangefochtene Hochburg der SPD, hat die Partei bei der Stadtratswahl ihr schlechtestes Ergebnis aller Zeiten eingefahren. Mit 30,4 Prozent der Stimmen liegt sie nur hauchdünn vor der AfD, die mit 29,9 Prozent einen beachtlichen Sprung nach oben machte. Damit ziehen beide Parteien künftig mit gleich großen Fraktionen in den Stadtrat ein.
Die Verluste für die SPD sind deutlich: Sie büßte 4,7 Prozentpunkte ein. Die AfD hingegen konnte 17 Punkte hinzugewinnen – ein Rekordzuwachs, der das politische Kräfteverhältnis in der Ruhrgebietsstadt spürbar verschiebt.
CDU und Grüne mit klaren Verlusten
Die CDU landete mit 19,2 Prozent auf Platz drei, was einem Rückgang von 4 Punkten entspricht. Noch deutlicher fiel der Absturz bei den Grünen aus, die von 12,2 auf 4,6 Prozent zurückfielen – ein Minus von 7,6 Punkten. Damit verfügen sie nur noch über drei Sitze, genauso viele wie die Linke, die sich leicht von 3,5 auf 4,3 Prozent verbessern konnte. Andere kleinere Parteien zusammen erreichten 11,6 Prozent.
Dieses Ergebnis bedeutet für die Grünen nicht nur eine dramatische Niederlage, sondern auch den Verlust ihrer Rolle als entscheidender Faktor im Stadtrat.
Historische Entwicklung der SPD
Seit Ende des Zweiten Weltkriegs war die SPD in Gelsenkirchen fast durchgehend die stärkste politische Kraft. Nur 1999 musste sie einmal diesen Status abgeben. In den Jahrzehnten von 1956 bis 1994 sowie 2009 und 2014 verfügte die SPD sogar über eine absolute Mehrheit im Stadtrat.
Doch die Entwicklung zeigt seit Jahren nach unten. Schon bei der Kommunalwahl 2020 stürzte die SPD von 50,2 Prozent im Jahr 2014 auf 35,1 Prozent ab – damals bereits das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte. Mit den aktuellen 30,4 Prozent setzt sich der Abwärtstrend nun fort.
AfD gewinnt auch überregional an Boden
Das starke Abschneiden der AfD in Gelsenkirchen fügt sich in ein landesweites Bild. Bei den Kommunalwahlen in Nordrhein-Westfalen erzielte sie 15,3 Prozent und verdrängte die Grünen als drittstärkste Kraft. Damit konnte die AfD ihr Ergebnis von 2020 verdreifachen.
Im Gegensatz dazu erreichte die CDU landesweit 34,6 Prozent, während die SPD mit 22 Prozent deutlich zurücklag. Die Grünen kamen nur noch auf 12,9 Prozent, die FDP auf 3,3 Prozent und die Linke auf 5,3 Prozent.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) erklärte: „Dieses Ergebnis muss uns zu denken geben, kann uns auch nicht ruhig schlafen lassen. Selbst meine Partei nicht, die diese Wahl so klar gewonnen hat.“
Oberbürgermeisterwahl sorgt für weiteres Kräftemessen
Parallel zur Stadtratswahl fand auch die Wahl des Oberbürgermeisters statt. Hier konnte sich die SPD-Kandidatin Andrea Henze mit 37 Prozent klar gegen den AfD-Bewerber Norbert Emmerich durchsetzen, der auf 29,8 Prozent kam. Dennoch steht beiden eine Stichwahl am 28. September bevor.
Auch in anderen Ruhrgebietsstädten wie Duisburg und Hagen gelang der AfD der Sprung in Stichwahlen. Damit erreicht die Partei erstmals in einem westdeutschen Bundesland diesen Schritt und unterstreicht ihre wachsende Bedeutung auf kommunaler Ebene.
Reaktionen der Parteien
Innerhalb der SPD herrscht Ernüchterung. Bärbel Bas räumte ein: „Es ist richtig, dass wir den Abwärtstrend nicht stoppen konnten.“ Dennoch versuche man, das Ergebnis nicht als völlige Niederlage zu deuten, sondern als Auftrag zur Neuorientierung.
AfD-Vertreter in Gelsenkirchen gaben sich hingegen selbstbewusst. Enxhi Seli-Zacharias, Abgeordnete im Landtag, betonte: „Wir haben unsere Wählerschaft zementiert. Es ist nicht mehr ein reines Frustwählen oder ein taktisches Wählen.“
Die Grünen erklärten ihr schlechtes Abschneiden mit einer allgemeinen politischen Verschiebung, bei der ökologische Themen derzeit weniger Gewicht hätten.