Gericht stoppt einseitige Rentenkürzungen der Versicherer
Der Bundesgerichtshof (BGH) hat eine Entscheidung getroffen, die für Millionen Riester-Sparer weitreichende Folgen hat. In dem Verfahren IV ZR 34/25 prüften die Richter eine Vertragsklausel der Allianz, die es dem Unternehmen erlaubte, den Rentenfaktor – und damit die spätere monatliche Auszahlung – einseitig zu senken, wenn sich wirtschaftliche Rahmenbedingungen verschlechtern. Eine mögliche Erhöhung bei verbesserten Bedingungen war hingegen nicht vorgesehen.
Nach der heutigen Verkündung steht fest: Die Klausel darf nicht angewendet werden. Das Gericht stellte klar, dass es rechtlich unzulässig sei, sich auf diese Regelung zu berufen. Damit haben Verbraucher Anspruch darauf, zu Unrecht gekürzte Rentenleistungen zurückzufordern.
Richter urteilen: „Klausel ist unwirksam“
Gleich zu Beginn der Sitzung legte der BGH seine Haltung offen. Die Richter formulierten unmissverständlich:
„Die Klausel ist wegen unangemessener Benachteiligung unwirksam.“
Damit steht fest, dass die bisher vorgenommenen Rentenminderungen keine rechtliche Grundlage hatten. Versicherte können die Reduzierungen geltend machen und Rückzahlungen verlangen. Der Rentenfaktor – also der Betrag, den ein Versicherter pro 10.000 Euro Vertragsguthaben als monatliche Rente erhält – darf nicht mehr einseitig verschlechtert werden.
Warum die Entscheidung so gravierend ist
Viele Versicherer – allen voran die Allianz – hatten in den vergangenen Jahren deutliche Kürzungen des Rentenfaktors vorgenommen. Als Begründung verwiesen sie auf Niedrigzinsen, höhere Lebenserwartung und gestiegene Kosten. Für Betroffene bedeutete dies massive Verluste: In zahlreichen Fällen sank die monatliche Auszahlung um 25 bis 33 Prozent, häufig um mehrere zweistellige oder dreistellige Eurobeträge.
Verbraucherschützer kritisieren seit Jahren dieses Vorgehen. Sie verweisen darauf, dass sich die Rahmenbedingungen inzwischen verändert haben. „Seitdem hat die EZB ihren Leitzins aber wieder kräftig erhöht“, heißt es aus Verbraucherkreisen. Dennoch seien Versicherer vertraglich nicht verpflichtet, frühere Kürzungen rückgängig zu machen – ein Ungleichgewicht, das nun juristisch gestoppt wurde.
Verträge bleiben gültig – strukturelle Probleme bleiben bestehen
Die Riester-Verträge selbst behalten trotz des Urteils ihre Wirksamkeit. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg betont jedoch, dass der Fall weit über eine einzelne Klausel hinausweist. Er erklärte:
„Anbieter werden immer Wege finden, Verbraucher zu benachteiligen. Es wird nur verkauft, was die höchsten Provisionen bringt.“
Nauhauser sieht ein systemisches Problem im Finanzvertrieb. Produkte, die kostengünstig und transparent sind, hätten es schwer, sich durchzusetzen. Er fordert daher eine grundlegende Neuordnung der Altersvorsorge, etwa ein staatlich organisiertes Standardprodukt nach schwedischem Vorbild – günstig, klar strukturiert und ohne provisionsbasierte Beratung.
Politisch jedoch bewege sich bislang wenig. Laut Nauhauser zeige der Fall lediglich exemplarisch, wie leicht Versicherer einseitige Änderungen vornehmen können, ohne dass Kunden ausreichend geschützt werden.
Bereits frühere Gerichte hatten die Klausel verworfen
Der BGH bestätigt mit seinem Urteil eine Linie, die bereits vorherige Instanzen vorgegeben hatten. Das Oberlandesgericht Stuttgart untersagte die Klausel bereits im Januar 2025 und argumentierte, der Rentenfaktor sei ein wesentliches Leistungsversprechen, das nicht beliebig verändert werden dürfe. Auch Gerichte in Berlin und Reinbek hatten zuvor ähnliche Verträge für teilweise unwirksam erklärt.Die Allianz steht damit nur exemplarisch im Fokus. Verbraucherzentralen berichten von zahlreichen weiteren Policen anderer Anbieter, bei denen Rentenfaktoren einseitig reduziert wurden oder intransparente Anpassungsklauseln zum Einsatz kamen. In vielen Fällen fehle zudem eine Verpflichtung zur späteren Erhöhung, selbst wenn sich die wirtschaftlichen Bedingungen verbessern.