Die Europäische Zentralbank (EZB) hat nach fast fünf Jahren erstmals die Zinsen gesenkt. Der Leitzins wurde um 0,25 Prozentpunkte auf 4,25 Prozent gesenkt, während der Einlagenzinssatz auf 3,75 Prozent fiel. Diese Entscheidung soll den Kampf gegen die weiterhin hohe Inflation unterstützen.
Hintergrund der Zinssenkung
Der letzte Zinsschritt nach unten erfolgte im September 2019. EZB-Präsidentin Christine Lagarde betonte jedoch, dass es zu früh sei, die Inflation für besiegt zu erklären. Die Inflationsrate wird voraussichtlich bis ins nächste Jahr hinein über dem Zielwert der EZB bleiben. „Der EZB-Rat legt sich nicht im Voraus auf einen bestimmten Zinspfad fest“, erklärte die Zentralbank.
Für Kreditnehmer sind sinkende Zinsen eine positive Nachricht, da Kredite dadurch günstiger werden. Sparer hingegen müssen sich darauf einstellen, dass die Renditen auf ihre Einlagen sinken könnten. Viele Banken haben ihre Konditionen bereits im Vorfeld angepasst, um auf die erwartete Entscheidung zu reagieren.
Expertenmeinungen zur Zinssenkung
Die Zinssenkung wurde von Experten unterschiedlich bewertet. Ulrich Kater, Chefvolkswirt der Dekabank, sieht die Maßnahme als gerechtfertigt an: „Mit dieser Zinssenkung setzt die EZB die Alarmstufe bei der Inflation um einen Schritt herunter.“ Friedrich Heinemann vom Wirtschaftsforschungsinstitut ZEW warnte jedoch vor zu schnellen weiteren Zinssenkungen: „Negativ überrascht hat zuletzt allerdings die Hartnäckigkeit der Inflation. Der EZB-Rat sollte sich jetzt mit vorschnellen Ankündigungen weiterer rascher Zinssenkungen zurückhalten.“
Inflationsprognosen und Wirtschaftswachstum
Die EZB hat ihre Inflationsprognosen für 2024 angehoben und erwartet nun eine Teuerungsrate von 2,5 Prozent. Für 2025 wird eine Inflation von 2,2 Prozent und für 2026 von 1,9 Prozent prognostiziert. Diese Werte liegen nahe am mittelfristigen Ziel der EZB von zwei Prozent.
Gleichzeitig wurden die Wachstumsprognosen für die Euro-Zone angehoben. Für das laufende Jahr wird ein Wirtschaftswachstum von 0,9 Prozent erwartet, für 2025 von 1,4 Prozent und für 2026 von 1,6 Prozent.
Internationale Vergleichsperspektive
Mit ihrer Zinssenkung folgt die EZB den Notenbanken in Kanada, der Schweiz und Schweden, die bereits vergleichbare Maßnahmen ergriffen haben. Die US-Notenbank Federal Reserve hat jedoch bislang keine Zinssenkung vorgenommen, da die Inflation in den USA weiterhin hoch ist.
Herausforderungen und zukünftige Entscheidungen
Trotz der aktuellen Zinssenkung bleibt die Inflationsbekämpfung eine Herausforderung. Die EZB bleibt entschlossen, die Inflation auf das mittelfristige Ziel von zwei Prozent zurückzuführen. „Stabile Preise sind die wichtigste Voraussetzung für Wachstum in Europa, daran sollten wir weiter festhalten“, betonte Bundesbank-Präsident Joachim Nagel.
Wie viele weitere Zinssenkungen folgen werden, ist unklar. Die Entscheidungen werden von der Entwicklung der wirtschaftlichen Daten abhängen. „Jetzt müssen sie die Kosten tragen“, kommentierte Nagel, wobei er darauf hinwies, dass aus einer ersten Zinssenkung keine automatische Fortsetzung abzuleiten sei.
Die Entscheidung der EZB, die Zinsen zu senken, markiert einen bedeutenden Schritt in der aktuellen Geldpolitik. Sie reflektiert die Bemühungen, die Inflation zu kontrollieren und gleichzeitig das Wirtschaftswachstum zu unterstützen. Die kommenden Monate werden zeigen, wie effektiv diese Maßnahmen sind und welche weiteren Schritte notwendig sein werden, um die wirtschaftliche Stabilität im Euroraum zu gewährleisten.