Notbremsassistent und Co.
Ab dem 7. Juli 2024 treten in der Europäischen Union neue Sicherheitsvorschriften für Neuwagen in Kraft, die das Unfallrisiko im Straßenverkehr signifikant reduzieren sollen. „Neuwagen werden sicherer,“ erklärt Peter Schnitzler, Spezialist für Kfz-Versicherungen, und verweist dabei auf eine umfassende EU-Verordnung. Diese schreibt hochwertige Fahrerassistenzsysteme in allen neuen Fahrzeugen vor. Besonders wichtig sei es, dass sich ungeübte Fahrer genügend Zeit nehmen, um sich mit den neuen Systemen vertraut zu machen.
Menschliche Fehler als Unfallursache
Die Einführung dieser neuen Systeme ist kein Zufall. Laut einer Statistik der Europäischen Union sind bis zu 95 Prozent aller Verkehrsunfälle auf menschliches Versagen zurückzuführen. Hierbei können moderne Assistenzsysteme entscheidend eingreifen. Sie warnen nicht nur vor Gefahren, sondern korrigieren auch Fehler des Fahrers, wie es beispielsweise der Notbremsassistent tut.
Die EU verfolgt mit dieser Verordnung ihre langfristige Strategie „Vision Null Straßenverkehrstote“. Ziel ist es, die Zahl der Verkehrstoten bis 2050 in der gesamten EU so nah wie möglich auf null zu reduzieren. Die Parlamentarier argumentieren, dass das Grundrecht auf Mobilität nicht mit einer hohen Todesrate im Straßenverkehr verbunden sein darf.
Historische Erfolge durch gesetzliche Eingriffe
Historisch betrachtet, haben gesetzliche Eingriffe die Sicherheit im Straßenverkehr bereits signifikant erhöht. Beispiele hierfür sind die Gurtpflicht, Tempolimits auf Landstraßen und die Erhöhung der Promillegrenzen. Seit 1970 ist die Zahl der Verkehrstoten in Deutschland um fast 90 Prozent gesunken, obwohl die Anzahl der zugelassenen Fahrzeuge sich fast verdreifacht hat. Dennoch starben im Jahr 2023 allein in Deutschland 2.830 Menschen im Straßenverkehr.
Die EU-Kommission hofft, dass verpflichtende Assistenzsysteme bis zum Jahr 2028 in ihren Mitgliedsländern 25.000 Menschenleben retten und mehr als 140.000 Schwerverletzte verhindern können.
Verpflichtende Assistenzsysteme ab Juli 2024
Die neuen Vorschriften sehen vor, dass neun verschiedene Assistenz- und Sicherheitssysteme in allen Neuwagen standardmäßig verbaut werden müssen. Diese umfassen:
- Notfall-Spurhalteassistent: Dieser greift ab einer Geschwindigkeit von 60 km/h ein und korrigiert automatisch die Fahrtrichtung, falls der Fahrer den Wagen übersteuert.
- Notbremsassistent: Bremst das Fahrzeug bei Gefahr automatisch ab.
- Geschwindigkeitsassistent: Warnt den Fahrer beim Überschreiten der Geschwindigkeitsbegrenzung.
- Notbremslicht: Lässt bei einer Vollbremsung ab 50 km/h alle Rückleuchten aufleuchten.
- Müdigkeits- und Aufmerksamkeitswarner: Prüft die Reaktionsfähigkeit des Fahrers und warnt bei Ablenkung oder nachlassender Konzentration.
- Unfalldatenspeicher: Dokumentiert die wichtigsten Fahrdaten zur präziseren Rekonstruktion von Unfällen und Optimierung der Sicherheitssysteme.
- Rückfahrassistent: Erhöht die Sicherheit beim Rückwärtsfahren.
- Reifendrucküberwachung: Sorgt für den richtigen Reifendruck und damit für mehr Sicherheit.
- Alkohol-Interlock-System: Neue Fahrzeuge verfügen über eine Schnittstelle für ein Alkohol-Kontrollgerät, um Fahrten unter Alkoholeinfluss zu verhindern.
Herausforderungen für ungeübte Fahrer
Die Vielzahl an neuen Systemen kann für ungeübte Fahrer eine Herausforderung darstellen. „Es piept und blinkt von vorn und hinten, der Spurwechsel ruckelt,“ beschreibt Schnitzler die möglichen Probleme. Fahrer sollten sich deshalb vor Fahrtantritt intensiv mit den digitalen Helfern vertraut machen, um die Systeme nicht genervt zu deaktivieren, denn das könnte fatale Folgen haben.
Verantwortlichkeit und Versicherungen
Auch wenn Assistenzsysteme viele Unfälle verhindern können, bleibt die Verantwortung im Falle eines Unfalls weiterhin beim Fahrer. Assistenzsysteme sind vor Gericht weder ein Freifahrschein noch eine Entschuldigung, da sie ebenfalls ausfallen oder Fehler machen können.
Die neuen Systeme werden sich auch auf die Kfz-Versicherungen auswirken. Einerseits könnten die Assistenzsysteme Unfälle verhindern oder deren Schwere reduzieren, wodurch die Versicherer weniger Schäden decken müssten. Andererseits verteuern die High-Tech-Lösungen die Reparaturkosten bei Unfällen, da moderne Fahrzeuge empfindliche Sensoren und Technik enthalten. Langfristig sollten die Systeme jedoch durch die hohe Produktionsmenge preiswerter werden, was sich auch auf die Versicherungsbeiträge auswirken könnte.
Die neuen EU-Vorschriften ab Juli 2024 markieren einen bedeutenden Schritt hin zu mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Mit verpflichtenden Assistenzsystemen für alle Neuwagen zielt die EU darauf ab, die Zahl der Verkehrstoten drastisch zu senken. Fahrer sollten sich frühzeitig mit den neuen Systemen vertraut machen, um deren Potenzial voll auszuschöpfen und die Sicherheit im Straßenverkehr nachhaltig zu erhöhen.