China hat Pläne für ein Wasserkraftwerk in Tibet bekannt gegeben, das Maßstäbe setzen soll. Das gigantische Projekt am Yarlung Tsangpo-Fluss könnte jährlich 300 Milliarden Kilowattstunden Strom produzieren – genug, um etwa zwei Drittel des deutschen Jahresstrombedarfs zu decken. Es wäre damit das größte Wasserkraftwerk der Welt und überträfe den Drei-Schluchten-Damm, Chinas bisheriges Vorzeigeprojekt, um ein Vielfaches.
Energiebedarf und Klimaziele als treibende Kräfte
Der Bau des Kraftwerks ist Teil von Chinas Bemühungen, den steigenden Energiebedarf zu decken und gleichzeitig die Klimaziele zu erreichen. Laut der Internationalen Energieagentur hat der Kohleverbrauch in China einen Höchststand erreicht. Gleichzeitig wächst der Bedarf an erneuerbaren Energien durch die rasante Entwicklung in Bereichen wie Elektromobilität und Künstlicher Intelligenz. Das Kraftwerk könnte sauberen Strom liefern und die Abhängigkeit von Kohle verringern. Xinhua, die staatliche Nachrichtenagentur, betonte: „Dieses Projekt ist entscheidend für Chinas Klimapolitik und bietet auch wirtschaftliche Vorteile für Tibet.“
Herausforderungen in der Infrastruktur
Die Lage des geplanten Kraftwerks in der abgelegenen Medong-Region stellt jedoch enorme Herausforderungen dar. Erst 2013 wurde dort die erste asphaltierte Straße fertiggestellt. Mit geschätzten Kosten von 135 Milliarden Euro wäre das Projekt zudem eines der teuersten der Welt. Die Region ist dünn besiedelt, doch voraussichtlich wird es auch hier, wie beim Bau des Drei-Schluchten-Damms, Umsiedlungen geben.
Umweltbedenken und geopolitische Spannungen
Das geplante Kraftwerk wirft erhebliche Umweltfragen auf. Die Auswirkungen auf die einzigartige Natur und das Ökosystem in der Region könnten gravierend sein. Zudem sorgt der Bau international für Spannungen. Der Yarlung Tsangpo fließt wenige Kilometer weiter flussabwärts als Brahmaputra nach Indien und Bangladesch. Dort ist der Fluss eine lebenswichtige Wasserquelle für Millionen Menschen. Indien und Bangladesch befürchten, dass China durch den Bau des Damms die Wasserzufuhr regulieren oder gar blockieren könnte. Dies könnte nicht nur zu Wasserknappheit führen, sondern auch Überschwemmungen auslösen.
Ein Sprecher der indischen Regierung erklärte: „Der geplante Damm in Tibet stellt eine ernsthafte Bedrohung für die Wassersicherheit und die Landwirtschaft unserer Bevölkerung dar.“ Die Spannungen zwischen China und Indien, die bereits durch Grenzstreitigkeiten belastet sind, könnten sich dadurch weiter verschärfen.
Ein Projekt mit globalen Auswirkungen
Das Wasserkraftwerk in Tibet symbolisiert Chinas Ambitionen in der erneuerbaren Energiegewinnung. Es zeigt jedoch auch die geopolitischen und ökologischen Herausforderungen solcher Megaprojekte. Während China seine Klimaziele verfolgt, stehen die Nachbarländer vor der Frage, wie sie mit den potenziellen Risiken umgehen können. Das Projekt könnte die Energiewende vorantreiben, doch zu welchem Preis?