In einer unerwarteten Entwicklung ziehen sich die Lebensmittel-Lieferdienste Getir und Gorillas komplett aus dem deutschen Markt zurück. Dieser Schritt kommt anderthalb Jahre nach der milliardenschweren Übernahme von Gorillas durch Getir und markiert einen signifikanten Moment für die Branche. Die Entscheidung, sich auf den türkischen Heimatmarkt zu konzentrieren und das Geschäft in anderen europäischen Märkten Mitte Mai einzustellen, wurde kürzlich von der „Wirtschaftswoche“ berichtet. Trotz der früheren Bewertung des Unternehmens auf zwölf Milliarden Dollar, scheint der anhaltende Druck auf das Geschäftsmodell und interne Unstimmigkeiten, insbesondere mit dem Großaktionär Mubadala, zu diesem drastischen Schritt geführt zu haben.
Ursachen des Rückzugs und interne Konflikte
Der Rückzug aus Deutschland und anderen europäischen Ländern folgt einer Phase intensiver Schwierigkeiten für Getir und Gorillas. Trotz des anfänglichen Booms während der Coronavirus-Pandemie, als die Nachfrage nach Lebensmittellieferdiensten stark anstieg, haben die nachfolgende Abflachung der Nachfrage und ein harter Verdrängungswettbewerb das Unternehmen stark getroffen. Zusätzlich belasteten steigende Preise und hohe Personalkosten das Geschäftsmodell. Als Reaktion darauf hatte Getir im vergangenen Sommer weltweit 2.500 der 23.000 Stellen abgebaut, was die tiefgreifenden Probleme innerhalb des Unternehmens verdeutlicht.
Ein wesentlicher Konfliktpunkt, der zum Rückzug beigetragen haben könnte, ist die Unzufriedenheit des Staatsfonds Mubadala aus Abu Dhabi. Dieser zeigte sich verärgert darüber, dass Getir und Gorillas in Deutschland nicht erfolgreich zu einer Marke verschmolzen wurden, was zu einer erhöhten Kosteneffizienz hätte führen können. „Business Insider“ berichtet, dass der Fonds das Management für seine Unfähigkeit kritisiert, ein tragfähiges Geschäftsmodell zu entwickeln, was zu einem Verlust der Geduld geführt hat.
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Konsequenzen und Ausblick
Die Entscheidung, sich aus Deutschland zurückzuziehen, wird nicht nur Auswirkungen auf die Mitarbeiter und Kunden von Getir und Gorillas haben, sondern auch auf den Wettbewerb im Lebensmittelliefersektor insgesamt. Mit dem Aus dieser beiden Akteure könnten sich neue Chancen für verbleibende Wettbewerber wie Flink ergeben, über dessen mögliche Fusion mit Getir zuvor spekuliert worden war.
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Der Schritt zurück nach Türkei und der vollständige Rückzug aus anderen Märkten lässt Fragen nach der Zukunftsfähigkeit und der strategischen Ausrichtung des Unternehmens offen. Es bleibt abzuwarten, wie Getir seine Ressourcen neu verteilen wird und ob eine Konzentration auf den Heimatmarkt die Wende bringen kann, die das Unternehmen dringend benötigt.
Insgesamt zeigt der Fall von Getir und Gorillas die volatilen Bedingungen im Markt der Lebensmittellieferdienste, wo schnelles Wachstum und hohe Anfangsinvestitionen nicht immer zu langfristigem Erfolg führen. Der Ausstieg aus einem so wichtigen Markt wie Deutschland ist ein klares Zeichen dafür, dass auch große Investitionen und eine starke Marktpräsenz keine Garantie für das Überleben in einem hart umkämpften Sektor sind.