Neue Mehrheit kippt bisherige Linie
In Brüssel hat sich eine Mitte-Rechts-Allianz durchgesetzt und das umstrittene EU-Lieferkettengesetz deutlich abgeschwächt. Mit 382 Stimmen bei 249 Gegenstimmen und 13 Enthaltungen votierten die Abgeordneten für eine Neufassung, die die ursprünglichen Verpflichtungen für Unternehmen spürbar reduziert. Damit fiel die bisherige „Brandmauer“ im Parlament, die eine Zusammenarbeit konservativer und rechter Fraktionen bislang ausgeschlossen hatte.
Erweiterte Allianz jenseits der bisherigen Lager
Die Initiative ging maßgeblich von der Europäischen Volkspartei (EVP) aus, die Unterstützung von der konservativen ECR-Fraktion, weiteren rechten Gruppierungen sowie wirtschaftsnahen Liberalen erhielt. Auch Abgeordnete der FDP votierten für den neuen Text. Der Entwurf sieht vor, dass künftig nur noch Unternehmen mit mehr als 5.000 Beschäftigten und einem Jahresumsatz über 1,5 Milliarden Euro verpflichtet werden, menschenrechtliche und ökologische Risiken in ihren Lieferketten zu prüfen.
Zudem entfällt die ursprünglich geplante EU-weite Haftung bei Verstößen. Unternehmen müssen künftig nicht mehr jede Stufe ihrer globalen Lieferkette überwachen, sondern lediglich Bereiche mit erhöhtem Risiko. Die zuvor vorgesehenen Klimaplan-Pflichten wurden gestrichen.
Gescheiterter Kompromiss ebnete den Weg
Bereits im Oktober war ein zuvor ausgehandelter Kompromiss zwischen Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalen gescheitert. Damals stimmten zahlreiche Sozialdemokraten gemeinsam mit Grünen und Linken gegen den Entwurf. Dieses Scheitern öffnete nun den Weg für die neue Mehrheit rechts der Mitte, die den Text in veränderter Form verabschiedete.
Kritik von Grünen und Linken
Besonders heftig fiel die Reaktion der Grünen aus. Die Fraktionsvorsitzende Terry Reintke warf der EVP vor, eine „Brandmauer eingerissen“ zu haben. Auf der Plattform X schrieb sie: „Europa hat heute verloren – der Schutz vor Kinderarbeit und Umweltzerstörung wurde ausgehöhlt.“ Damit beklagte sie eine Abkehr vom ursprünglichen Ziel, soziale und ökologische Standards entlang globaler Lieferketten zu sichern.
Konservative sehen Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit
Die EVP hingegen wertet den Beschluss als Erfolg für Europas Wirtschaft. Fraktionschef Manfred Weber (CDU) sprach von einem „guten Tag für die Wettbewerbsfähigkeit Europas“ und bezeichnete das Ergebnis als „Beginn des Endes übermäßiger Bürokratie“. Auch Bundeskanzler Friedrich Merz hatte im Vorfeld eine Korrektur der bisherigen Regelungen gefordert und sich für eine rasche Einigung ausgesprochen.
AfD und rechte Gruppen feiern Abstimmung
In der rechten Fraktion herrscht Zufriedenheit. Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel sprach von einem „fraktionsübergreifenden Durchbruch“, der Teile des Green Deal zurückdränge und Unternehmen „endlich von überbordender Regulierung befreie“. Ihr Parteikollege René Aust, Vorsitzender der ESN-Fraktion, erklärte: „Das ist erst der Beginn einer vernünftigen Politik.“
Wirtschaftlicher Druck und politische Folgen
Die Änderungen folgen dem zunehmenden Druck von Wirtschaftsverbänden, die die ursprünglichen Regeln als praxisfern und belastend bezeichnet hatten. Besonders mittelständische Unternehmen hatten vor hohen Kosten und unklaren Haftungsrisiken gewarnt. Mit der neuen Fassung soll die Bürokratie deutlich verringert und der Fokus auf international agierende Großkonzerne gelenkt werden.
Nächste Etappe: Verhandlungen mit den Mitgliedsstaaten
Nach der Abstimmung geht das Gesetzespaket nun in die Trilogverhandlungen mit den 27 EU-Staaten. Mehrere Regierungen drängen auf eine Einigung bis Jahresende, um Planungssicherheit für Unternehmen zu schaffen. Beobachter erwarten jedoch, dass insbesondere Frankreich und die skandinavischen Länder auf Nachbesserungen beim Umweltschutz drängen werden.EU in politischem Umbruch
Die Entscheidung markiert eine deutliche Machtverschiebung im Europäischen Parlament. Zum ersten Mal seit Jahren gelang es einer Allianz rechts der Mitte, ein zentrales Gesetzesvorhaben gegen den Widerstand der linken Fraktionen durchzusetzen. Viele Abgeordnete sehen darin ein Signal für die kommenden Europawahlen und eine mögliche Neuordnung der politischen Mehrheitsverhältnisse.