Produktionsende nach über 100 Jahren in Frankfurt-Höchst
Der Pharmakonzern Euroapi hat bekanntgegeben, dass er die Produktion des Schmerzmittels Novalgin im Industriepark Frankfurt-Höchst einstellen wird. Diese Entscheidung markiert das Ende einer Ära, da der Wirkstoff Metamizol, bekannt unter dem Handelsnamen Novalgin, seit über 100 Jahren dort hergestellt wird. Die Produktion soll bis 2025 vollständig eingestellt werden, wie der „Spiegel“ berichtet.
Abhängigkeit von China wächst
Mit der Schließung der letzten Produktionsstätte in Europa wird Deutschland und Europa künftig vollständig auf China angewiesen sein, wenn es um die Beschaffung des Wirkstoffs Metamizol geht. Dieser Wirkstoff ist nach Ibuprofen eines der am häufigsten verordneten Schmerzmittel in Deutschland. Die Abhängigkeit von China birgt erhebliche Risiken, besonders im Falle von Handelskriegen oder Preissteigerungen durch chinesische Produzenten. Bork Bretthauer, Geschäftsführer des Verbandes Pro Generika, äußerte seine Besorgnis über diese Entwicklung: „Deutschland hat zu lange zu billig eingekauft, hängt daher am Tropf von China – und das bei lebenswichtigen Arzneimitteln.“
Kritik an der politischen Handlungsweise
Bretthauer kritisiert die deutsche Politik scharf und bezeichnet die bisherigen Maßnahmen als unzureichend. „Mini-Maßnahmen lösen das Problem nicht. Sie klebt kleine Pflaster auf klaffende Wunden“, so Bretthauer. Er betont, dass Deutschland dabei sei, die letzte Produktionsstätte des wichtigsten Schmerzmittels zu verlieren, was das Land in eine noch stärkere Abhängigkeit von asiatischen Herstellern treibe. Der Großteil der für den deutschen Markt benötigten 1.100 Tonnen Metamizol-Wirkstoff stammt bereits aus China, und nach der Schließung der Euroapi-Produktion wird dies vollständig der Fall sein.
Historische Bedeutung und aktuelle Produktion
Metamizol wurde im Jahr 1922 von der damaligen Firma Hoechst unter dem Markennamen Novalgin in Deutschland eingeführt. Seitdem haben verschiedene Pharmafirmen in Deutschland Metamizol angeboten, jedoch stellt derzeit niemand mehr den Wirkstoff selbst her. Euroapi produzierte in Frankfurt-Höchst mit rund 90 Mitarbeitern Metamizol rund um die Uhr.
Ökonomische Gründe für den Produktionsstopp
Die Entscheidung, den Wirkstoff aus China zu beziehen, wird maßgeblich durch die Kostenstruktur beeinflusst. Eine Packung des Schmerzmittels kostet offiziell zwölf Euro in der Apotheke, wobei nur ein Bruchteil dieses Preises beim Hersteller ankommt. Laut Daten des Beratungsinstituts Iges erhält ein Hersteller im Schnitt lediglich 29 Cent pro Packung, bei Tropfen sogar nur 26 Cent. Diese wirtschaftlichen Bedingungen machen eine lokale Produktion zunehmend unrentabel.
Die Schließung des letzten europäischen Werks für die Produktion von Novalgin markiert einen bedeutenden Wendepunkt für die Pharmabranche in Deutschland und Europa. Die vollständige Abhängigkeit von chinesischen Herstellern für lebenswichtige Medikamente wie Metamizol ist eine alarmierende Entwicklung, die erhebliche Risiken birgt. Kritiker fordern daher eine dringende Überprüfung und Anpassung der politischen Maßnahmen, um die Produktion essentieller Medikamente in Europa zu sichern und eine strategische Unabhängigkeit zu gewährleisten.