Anleger zeigen Zurückhaltung nach Rekordjagd
Nach Monaten ungebremster Kursgewinne an den US-Börsen macht sich erstmals deutliche Vorsicht breit. An der Wall Street setzten am Donnerstag Gewinnmitnahmen ein, die vor allem den Technologie-Sektor trafen. Der Dow Jones Industrial Average verlor 0,6 Prozent auf 47.012 Punkte, der S&P 500 gab ebenfalls 0,6 Prozent auf 6751 Punkte nach. Noch stärker erwischte es die Technologiebörse Nasdaq, die ein Prozent auf 23.256 Zähler einbüßte.

Auslöser des Rückgangs waren schwächere Unternehmenszahlen sowie neue Warnungen führender Fondsmanager vor einer möglichen Überhitzung des KI-Segments. Der jahrelange Höhenflug der Technologieaktien, angeheizt durch die Euphorie um Künstliche Intelligenz (KI), scheint an seine Grenzen zu stoßen.

„Der Markt hat sich in den letzten Monaten zu stark auf Zukunftsvisionen verlassen und zu wenig auf reale Gewinne“, sagte ein Analyst aus New York. Anleger reagierten prompt und reduzierten ihre Positionen in riskanteren Technologiewerten.

Sorge vor einer Korrektur im KI-Sektor
In den vergangenen Tagen hatten mehrere prominente Wall-Street-Strategen vor einer Marktkorrektur gewarnt. Die Bewertungen vieler KI-bezogener Aktien seien inzwischen „auf einem Niveau, das jede Enttäuschung bestrafe“, hieß es in einem Bericht einer Investmentbank. Besonders betroffen waren Schwergewichte wie Nvidia, Alphabet und Microsoft, die zuletzt den Aufschwung getragen hatten.
Die Befürchtung, dass der rasante Anstieg nicht durch nachhaltige Gewinne gedeckt ist, sorgt für Nervosität. „Viele Anleger erkennen jetzt, dass die KI-Welle zwar langfristig Potenzial bietet, kurzfristig aber auch überzogene Erwartungen geschaffen hat“, erklärte ein Händler an der New Yorker Börse.
Auch enttäuschende Unternehmensberichte verstärkten die Skepsis. Mehrere Technologiefirmen verfehlten ihre Umsatzziele, was als Zeichen einer möglichen Abkühlung des Marktes interpretiert wurde.
Snap trotzt der Schwäche mit überraschender Partnerschaft
Eine Ausnahme bildete Snap, der Betreiber der Social-Media-Plattform Snapchat. Dessen Aktie schoss um 15 Prozent nach oben, nachdem das Unternehmen eine strategische Kooperation mit dem KI-Startup Perplexity AI bekannt gab.
Perplexity entwickelt eine auf künstlicher Intelligenz basierende Suchmaschine, die künftig direkt in Snapchat integriert werden soll. Ziel ist es, die Nutzererfahrung durch intelligente Such- und Antwortfunktionen zu erweitern.
Die Nachricht löste in der Branche vorsichtigen Optimismus aus. „Snap zeigt, dass KI nicht nur ein Hype ist, sondern reale Anwendungen schafft, die Plattformen attraktiver machen können“, kommentierte ein Analyst. Für Snap kommt die Partnerschaft zum richtigen Zeitpunkt, nachdem das Unternehmen zuletzt mit stagnierenden Nutzerzahlen und rückläufigen Werbeerlösen zu kämpfen hatte.
Technologiewerte verlieren Schwung
Abgesehen von Snap ging es für den Rest des Sektors bergab. Besonders hart traf es Unternehmen, die in den vergangenen Monaten vom KI-Trend überproportional profitiert hatten. Aktien von Nvidia und Advanced Micro Devices (AMD) verloren zwischen 2 und 3 Prozent, während auch Cloud-Anbieter wie Amazon und Oracle nachgaben.
Analysten sehen darin ein typisches Muster nach einer Überhitzungsphase: Anleger sichern Gewinne und warten ab, bis sich ein neuer Gleichgewichtspunkt bildet. „Die fundamentalen Aussichten für KI bleiben positiv, aber der Markt muss erst wieder zu realistischeren Bewertungen zurückfinden“, erklärte ein Technologieexperte.
Trotz der Korrektur bleibe der langfristige Trend intakt. Die Integration von KI in nahezu alle Wirtschaftssektoren sorge weiterhin für ein hohes Investitionstempo.
Anleger richten Blick auf Unternehmensgewinne
Im Mittelpunkt stehen nun die Quartalsberichte großer Konzerne, die Hinweise auf die tatsächliche Wirtschaftslage liefern sollen. Die Erwartungen an die Tech-Giganten sind hoch – doch jede Enttäuschung wird derzeit empfindlich bestraft.
Vor allem Investoren in den USA achten darauf, ob Unternehmen wie Apple, Meta und Google ihre Wachstumsziele trotz des Kostendrucks halten können. Sollte sich das Gewinnwachstum abschwächen, droht eine weitere Abkühlung des Gesamtmarktes.
Parallel beobachten Anleger die Signale der US-Notenbank Fed, die sich in einem schwierigen Spagat zwischen Inflationsbekämpfung und Wachstumsförderung befindet. Steigende Zinsen würden vor allem hoch bewertete Wachstumswerte zusätzlich belasten.
Währung und Anleihemärkte stabil
Abseits der Aktienmärkte blieb die Reaktion an den Devisen- und Rentenmärkten verhalten. Der US-Dollar zeigte sich gegenüber dem Euro kaum verändert, während die Renditen zehnjähriger US-Staatsanleihen leicht zurückgingen. Investoren suchten erneut Sicherheit in Staatsanleihen, nachdem die Volatilität an den Aktienmärkten zugenommen hatte.Experten rechnen in den kommenden Tagen mit einer weiteren Konsolidierung der Kurse. „Die Luft ist nach der Rally der letzten Monate dünn geworden, eine Verschnaufpause ist überfällig“, kommentierte ein Analyst der Wall Street.
Ob die Anleger bald wieder Mut fassen, hängt vor allem davon ab, ob sich die KI-bezogenen Unternehmen erneut als Wachstumstreiber beweisen können – oder ob die Skepsis überwiegt.