Marathon-Nacht in Berlin: Mehr Ausgaben, mehr Kredite, mehr Streit – Rekordschulden für 2026
Nach einer Sitzung von über 15 Stunden steht der neue Bundeshaushalt für 2026 – und er fällt deutlich teurer aus als geplant. Der Haushaltsausschuss des Bundestages beschloss in der Nacht die letzten Änderungen, bei denen die Ministerinnen und Minister der schwarz-roten Koalition persönlich Rede und Antwort stehen mussten. Das Ergebnis dieser nächtlichen Verhandlungen: Noch höhere Schulden als je zuvor.
Die geplanten Gesamtausgaben steigen auf 524,5 Milliarden Euro, das sind vier Milliarden mehr als im ursprünglichen Entwurf der Bundesregierung vorgesehen. Der Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) zeigte sich dennoch zufrieden: „Diese Koalition liefert. Wir investieren in Stärke und Sicherheit – das ist Zuversicht für die Zukunft.“
Doch der Preis für diese Zukunftsvision ist hoch: Allein im Kernhaushalt werden fast 98 Milliarden Euro neue Kredite aufgenommen – acht Milliarden mehr als zunächst geplant. Rechnet man die Zusatzkredite für Bundeswehr und Infrastruktur hinzu, steigt die Neuverschuldung auf über 180 Milliarden Euro. Die Schuldenbremse bleibt formal gewahrt – dank der bereits beschlossenen Ausnahmeregelungen.
Kritik aus allen Lagern – „Rekordausgaben, aber kein Aufschwung“
Während die Koalition von einer Investitionsoffensive spricht, hagelt es von allen Seiten Kritik. Sebastian Schäfer (Grüne) wirft der Regierung vor, die Chancen des neuen Spielraums zu verspielen: „Damit werden Wachstumschancen sträflich vergeigt.“
Noch schärfer formulierte es Dietmar Bartsch (Linke): „Mit Mega-Schulden wird Mini-Wachstum produziert. Für die Mehrheit der Bürger bringt dieser Haushalt verdammt wenig – gepusht wird allein die Rüstung.“
Auch die AfD übte massive Kritik. Ihr Haushaltsexperte Michael Espendiller sprach von „gigantischen Schuldenbergen“, die weiter anwüchsen. Selbst der Bund der Steuerzahler zeigte sich entsetzt. Präsident Reiner Holznagel erklärte: „Schwarz-Rot schraubt die Subventionen sogar noch höher als die Ampel. Trotz Rekordausgaben kommen neue Hilfen hinzu, während Privathaushalte bei der Stromsteuer leer ausgehen.“
Tatsächlich steigen die Subventionen auf fast 80 Milliarden Euro, ein historischer Höchstwert. Neu hinzu kommen unter anderem die E-Auto-Prämie und der Industriestrompreis, die weitere Milliarden verschlingen.
Milliarden für Verteidigung und Pflege – soziale Balance in der Kritik
Die auffälligste Änderung des neuen Etats betrifft die Ukraine-Hilfe. Das Finanzministerium stockte die Mittel kurz vor Mitternacht um weitere drei Milliarden Euro auf – für Artillerie, Drohnen, gepanzerte Fahrzeuge und zwei Patriot-Systeme. Damit steigen die Gesamtmittel auf 11,5 Milliarden Euro, der höchste Beitrag Deutschlands seit Beginn des Krieges.
Finanziert wird dies durch die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben, ein Schritt, der im Parlament unterschiedlich bewertet wird.
Daneben fließen 800 Millionen Euro in ein Förderprogramm für klimafreundliche Heizungen und 50 Millionen Euro in den barrierefreien Umbau von Wohnungen. Kurz vor Sitzungsbeginn einigten sich Union und SPD außerdem auf ein Milliarden-Darlehen für die Pflegeversicherung: Zu den geplanten 1,5 Milliarden kommen weitere 1,7 Milliarden Euro hinzu, um eine Beitragserhöhung zu verhindern.
Wie diese Gelder jemals zurückgezahlt werden sollen, ist allerdings völlig offen. Ein Koalitionsmitglied räumte ein: „Wir verschaffen uns Zeit, mehr nicht.“
Neues Digitalministerium erhält erstmals eigenes Budget
Eine kleine, aber symbolträchtige Premiere brachte die lange Nacht ebenfalls: Erstmals wurde das neue Digitalministerium in den Bundeshaushalt aufgenommen. Für 2026 erhält es ein Budget von 1,36 Milliarden Euro – finanziert überwiegend durch Umschichtungen aus anderen Ressorts.
Der Unions-Haushälter Christian Haase (CDU) sprach von einem „überfälligen Schritt in die digitale Ära der Verwaltung“. Das Ministerium übernimmt Aufgaben aus den bisherigen Ressorts für Verkehr, Wirtschaft und Inneres. Der neue Einzelplan 24 ersetzt den Etat des Bundesschatzministers, den es seit 1970 nicht mehr gibt.
Haase betonte: „Jetzt geht es nicht mehr um Klingelschilder, sondern um Strukturen. Wir müssen die Verwaltung endlich zukunftsfähig machen.“
Finanzlücken ab 2027 – die Ruhe vor dem Sturm
Hinter den Kulissen wächst jedoch die Sorge vor dem, was noch kommt. Finanzminister Klingbeil steht vor einer Herkulesaufgabe: Ab 2027 klaffen laut aktueller Steuerschätzung Haushaltslücken von 22 bis 23 Milliarden Euro – so groß wie nie zuvor.
Um diese Lücke zu schließen, will Klingbeil gemeinsam mit Kanzler Friedrich Merz (CDU) und CSU-Chef Markus Söder über den Jahreswechsel ein Sparpaket erarbeiten. Auf dem Tisch liegen Streichungen bei Subventionen, Förderprogrammen und eine Überprüfung bestehender Rücklagen.
Ein Regierungsberater fasst die Lage zusammen: „2026 ist das Jahr des Geldausgebens – 2027 wird das Jahr des Kassensturzes.“
Die Koalition verteidigt ihren Kurs dennoch entschlossen. SPD-Haushaltsexperte Thorsten Rudolph betonte: „Mit dem Haushalt 2026 setzen wir auf Wachstum, Sicherheit und Zusammenhalt. Das ist ein Signal der Stabilität in schwierigen Zeiten.“Ob diese Stabilität hält, wird sich spätestens im November zeigen, wenn der Bundestag zwischen dem 25. und 28. November endgültig über den Haushalt abstimmt. Die Nacht der Bereinigung mag vorbei sein – doch die Debatte über Schulden, Zukunft und Verantwortung steht erst am Anfang.