Etwa 20.000 Menschen in Deutschland haben sich innerhalb weniger Wochen einer europaweiten Sammelklage gegen den Medizintechnikhersteller Philips angeschlossen. Der Grund ist ein massiver Rückruf von Atemgeräten, der bereits im Sommer 2021 erfolgte. Philips hatte damals bekanntgegeben, dass ein zur Schalldämmung eingesetzter Schaumstoff in den Geräten sich zersetzen und von den Patienten eingeatmet werden könnte. In einigen Geräten wurden zudem möglicherweise gesundheitsschädliche Chemikalien festgestellt. Mehr als fünf Millionen Patienten weltweit waren betroffen, darunter etwa 1,2 Millionen in Europa.
Krankenkassen informieren über Klagemöglichkeiten
Obwohl der Rückruf im Juni 2021 begann, wurden viele Betroffene erst kürzlich auf die Möglichkeit einer Sammelklage aufmerksam gemacht. Nach Recherchen des NDR haben verschiedene Krankenkassen ihre Versicherten angeschrieben, um sie zu informieren. „Sollte die Sammelklage zu einem Erfolg führen, wird Ihnen das Schmerzensgeld ausgezahlt“, hieß es beispielsweise in einem Schreiben der AOK. Die Registrierung für die Klage ist kostenfrei, und selbst im Fall einer Niederlage entstehen keine Kosten für die Betroffenen. Die federführende italienische Kanzlei erhält im Erfolgsfall jedoch ein Viertel des zugesprochenen Schmerzensgeldes.
Die deutsche Kanzlei Hemmerich & Rohde, die Teil des Anwaltsverbands hinter der Klage ist, bestätigte die Registrierung der 20.000 Patienten und betreibt in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen eine Webseite zur Anmeldung.
Italien erleichtert Klagen
Auch aus anderen europäischen Ländern wie Belgien, Spanien und Schweden haben sich Tausende für die Sammelklage registrieren lassen. Italien ist ein besonders günstiger Ort für solche Klagen, da dort bereits die Nutzung eines „fehlerhaften“ Geräts ausreicht, um Entschädigung zu verlangen. In Deutschland hingegen müssen Patienten konkret nachweisen, dass sie durch das Gerät geschädigt wurden – ein schwieriges Unterfangen, auf das Philips ebenfalls hinweist.
Philips reagiert juristisch
Der Schritt der Krankenkassen, Versicherte über die Klagemöglichkeiten zu informieren, stößt bei Philips auf Widerstand. Der Konzern hat laut NDR juristische Schritte gegen die Krankenkassen eingeleitet und eine große US-Kanzlei mit dem Fall beauftragt. Philips beantragte beim Sozialgericht München den „Erlass einer einstweiligen Anordnung“, um den Krankenkassen zu untersagen, weiterhin Informationsschreiben zu verschicken. Philips erklärte auf Anfrage, dass man keine laufenden Verfahren kommentiere, betonte aber, dass die bisherigen Testergebnisse „keine nennenswerten Gesundheitsschäden bei den Patienten“ festgestellt hätten.
Verjährungsfrist und weitere Schritte
Ein Vertreter der AOK Bayern, Dominik Schirmer, zeigte sich überrascht von Philips‘ rechtlichem Vorgehen. „Wir als Krankenkasse sind es gewohnt, dass wir uns bei Problemen länger mit Herstellern von Medizinprodukten auseinandersetzen müssen, aber hier will man wohl verhindern, dass wir unsere Versicherten umfassend beraten“, sagte er. Auch die BARMER erklärte, dass sie es als ihre Pflicht ansieht, Versicherte zu informieren, damit diese selbst über mögliche Schadensersatzansprüche entscheiden können.
Die Verjährungsfrist für Ansprüche endet am 31. Dezember dieses Jahres. Bis dahin wird auch eine Entscheidung des Sozialgerichts München erwartet, die den weiteren Verlauf der Klage beeinflussen könnte.